Ein Sprichwort sagt: „Einmal Lehrer, immer Lehrer“. So war es immer, so ist es heute. Entscheidet sich jemand für den Lehrerberuf, ist der berufliche Werdegang erst einmal festgelegt: Studium, Staatsexamina, Referendariat, Staatsdienst bis zur Verrentung. Ein Berufswechsel als Lehrer ist in dieser Rechnung nicht vorgesehen.
Wieso auch?! Lehrer haben schließlich einen sicheren, krisenfesten, (viel zu) gut bezahlten Halbtagsjob, bei dem sie am Vormittag recht und am Nachmittag frei haben. Das ist zumindest (leider!) die landläufig (immer noch!) verbreitete Meinung über den Lehrerberuf.
Berufswechsel als Lehrer aufgrund zu hoher Belastungen
Dass die berufliche Realität eines Lehrers eine ganz andere ist, wissen meist nur diejenigen, die den Beruf ausüben oder ausgeübt haben. Lehrer arbeiten zu Spitzenzeiten extrem viel (60-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit) und die beruflichen Anforderungen sind hoch. Besonders die zwischenmenschlichen Probleme sind nicht mit einem regulären Bürojob zu vergleichen. Lehrer wollen ihre Arbeit gut machen und stoßen dabei häufig an ihre Grenzen. Nicht ohne Grund ist die hohe berufliche Belastung hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Lehrer ihren Beruf wechseln möchten. Zu diesen Belastungen gehören beispielsweise:
„körperliche und psychische Belastungen, Stress, Gefühl der Überforderung, vollgepackte Lehrpläne, zu hoher Arbeitsumfang, kurzfristige und aufwendige Vertretungsstunden sowie Doppel- und Dreifachbelastungen.“
https://www.researchgate.net/publication/304997250_Einmal_Lehrer_-_immer_Lehrer_Eine_qualitative_Studie_zum_Prozess_des_Berufswechsels_und_alternativen_Karrierepfaden_im_Lehrerberuf
All das fanden Forscher der Technischen Universität Dresden in einer Studie im Jahr 2016 heraus. Ich denke nicht, dass sich daran bisher etwas geändert hat.
Viele Lehrkräfte erkranken im Laufe ihres Berufslebens an psychischen und psychosomatischen, körperlichen und psychomotorischen Erkrankungen und fallen aus. Auch der Anteil der Frühpensionierungen aufgrund dieser Belastungen ist enorm. Das ist nicht meine Behauptung, sondern eine traurige Tatsache, die in mehreren Studien nachgewiesen werden konnte.
Wenn die Symptomatik also bekannt ist, dann muss man sich ernsthaft fragen, warum der Berufswechsel von Lehrern immer noch tabuisiert wird, es so wenig offizielle Hilfsangebote gibt und warum die Ursachen nicht endlich angegangen werden? (Alleine mit den Ideen, wie man die Rahmenbedingungen und die Ausbildung verändern könnte, wäre ein neuer Artikel gut gefüllt, meint ihr nicht auch? :))
Ich denke viele Lehrer werden mit dem Wunsch den Beruf zu wechseln nicht erst genommen und allein gelassen. Warum ist das so? Warum ist der Berufswechsel für Lehrer und Lehrerinnen so schwierig? Zu diesen Fragen habe ich einige Überlegungen angestellt:
1. Tabuisierung und Stigmatisierung beim Berufswechsel als Lehrer
Ein Problem, warum Lehrer es schwer haben ihren Beruf zu wechseln, sind die Tabuisierung und Stigmatisierung dieses Themas im kollegialen Umfeld. Spricht man als Lehrer mit Kollegen über Probleme oder die Neuorientierung, folgen leider meist mitleidige Blicke und tuscheln. Ab diesem Zeitpunkt ist man der- oder diejenige, der den Job hinbekommt. Der „Problem-Lehrer“. Aus diesem Grund schwiegen die Meisten auch über den Wunsch den Beruf zu wechseln. Die beruflichen Probleme werden überspielt. Die Furcht vor Stigmatisierung ist zu groß.
Doch nicht nur in der Schule wird der Berufswechsel tabuisiert, auch das familiäre Umfeld ist daran beteiligt. Die Familie und Freunde können die Gründe oft nicht verstehen und raten dazu „alles nicht so ernst zu nehmen“ oder „sich einfach durchzubeißen“. Manchmal wird dabei auch konkret von einem Jobwechsel abgeraten…wegen der Sicherheit, des Geldes und weil man ja eh nichts anderes machen kann… Auch das gesellschaftlich etablierte Bild vom Lehrerberuf trägt dazu bei, dass Lehrer mit dem Wunsch, den Beruf zu wechseln als undankbar und schwach angesehen werden.
Mehr darüber, wie und warum unser Umfeld die Berufswahl beeinflusst erfährt du in diesem Artikel: https://myselfsense.de/berufsziele-wie-das-umfeld-uns-beeinflusst/
3. Trennung des Systems Schule vom System Wirtschaft
Entscheidet sich ein Gymnasiast heute für den Lehrerberuf, dann hat dieser nach dem Studium, dem Referendariat und der ersten Berufspraxis wahrscheinlich nie in der Wirtschaft gearbeitet. Bis zu der Erkenntnis, dass der Lehrerberuf nicht der Richtige ist, vergehen also gut und gerne 10 Jahre! Das System Schule und das System Wirtschaft existieren nebeneinander und in den meisten Fällen gelingt das gut und ohne Überschneidung (Achtung Ironie). Die Folge ist, dass ein Lehrer häufig nicht weiß, was von ihm in der Wirtschaft erwartet wird. Zusätzlichen wissen die meisten Firmenchefs und Personaler nicht, was Lehrer können und leisten. Kenntnis darüber, welche Schlüsselqualifikationen ein Lehrer neben seiner fachlich-pädagogischen Ausrichtung hat, müssen sich oft noch entwickeln.
Aufgrund der Tatsache, dass sich die meisten Lehrer nie in der freien Wirtschaft bewerben mussten, haben sie auch kaum Erfahrungen mit dem Erstellen von Bewerbungsunterlagen oder mit Vorstellungsgesprächen. Und was man nicht kennt, kann Angst machen und verunsichern. Scheidet aufgrund der Unsicherheit die Wirtschaft als potenzieller Arbeitsplatz von vorne herein aus, bleibt ein viel kleineres Feld an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Berufswechsel wird damit natürlich nicht leichter.
4. Eigeninitiative und Risikofreude beim Berufswechsel als Lehrer
Zuletzt möchte ich noch die Eigeninitiative und eine gewisse Risikobereitschaft ansprechen, die notwendig sind, um den Berufswechsel als Lehrer zu schaffen. Eigeninitiative kann bedeuten, für sich selbst anzufangen, einen Plan zu erstellen, Bewerbungen zu schreiben, Kontakte zu knüpfen und sich weiterzubilden. Das alles ist immer leichter gesagt als getan. Vielen Lehrern mit einem vollen Deputat fehlt die Zeit und die Kraft, sich neben dem Job mit dem Berufswechsel auseinanderzusetzen.
Auch eine gewisse Risikobereitschaft ist notwendig, um sich beruflich neu zu orientieren. Und auch hier kann eine Verbeamtung eine Umorientierung erschweren. Schließlich ist die Sicherheit einer der Gründe, aus welchem viele Lehrer diesen Beruf einst gewählt haben. Am Schwierigsten ist meiner Meinung nach allerdings die Ungewissheit, die ein Berufswechsel mit sich bringt. Man weiß eben nicht von vorne herein, ob der eigene Plan aufgeht. Man weiß nicht, ob sich die Kosten einer Weiterbildung rechnen und man eine ähnlich gut bezahlte Anstellung in einem anderen Bereich findet. Es ist ein Risiko, das man bereit sein muss einzugehen.
All das sind gute Begründungen vor einem Berufswechsel als Lehrer zurückzuschrecken. Ich denke jeder der den Gedanken an den beruflichen Neustart in sich trägt, könnte diese Liste auch noch weiter ergänzen.
In Wahrheit kann aber kein Grund auf dieser Welt deine psychische und physische Gesundheit, deine Zufriedenheit und dein Wohlergehen aufwiegen. Also:
- ergreife die Initiative,
- tausche dich mit anderen „Aussteigern“ aus,
- plane deine nächsten Schritte und
- hol dir Unterstützung und Rat!
Hallo,
vielen Dank für deinen Blog.
Vielleicht hättest du einen Rat für mich? Ich bin verbeamteter Lehrer in Hessen und möchte gerne teilweise aus dem Knebelsystem aussteigen: Der privaten Krankenversicherung. Gibt es da irgendeine Chance und wenn ja welche?
Vielen lieben Dank für deine Meinung.
Liebe Grüße
Dani
Hallo Dani,
hm, da stellst du eine knifflige Frage. Ich bin definitiv keine Versicherungsexpertin, aber ich denke es gibt immer eine Möglichkeit da rauszukommen. Es kommt dabei aber auf deine individuelle Situation und die Familienverhältnisse an. Was heißt teilweise aussteigen für dich? Hab ich das richtig verstanden, dass du weiter als Lehrer arbeiten, aber nicht mehr in der privaten KV versichert sein willst? Ich würde dir raten, dich einmal konkret bei einer gesetzlichen KV beraten zu lassen und deine Situation und Pläne zu schildern. Das sind einfach ganz klar die Experten 🙂
Alles Liebe
Maria